Haftnotizen Ausgabe 45

Übersicht

In dieser Ausgabe der HAFTNOTIZEN geht es viel um Gewissensfragen. Wie zeigt sich Loyalität? Was macht es mit den Autoren, wenn ihr solidarisches Empfinden verletzt wird oder sie sich sogar zutiefst verraten fühlen?

Man könnte denken, die Frage, ob Soldaten Mörder sind, wäre mit einem eindeutigen Ja oder Nein zu beantworten. Doch so einfach sieht es der Autor nicht. Klarer sind dagegen die Statements, die die (fiktiven) Gründer einer Partei in ihrem Parteiprogramm darlegen.

Hinweis: Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.

Meinungsfreiheit

Wie immer ist uns Meinungsfreiheit sehr wichtig – deshalb äußert der jeweilige Verfasser seine ganz persönliche Meinung, die nicht unbedingt vom gesamten Team der Haftnotizen geteilt werden muss.

Schreibtrainerin: Tania Kibermanis


Akho und Toni35: Soll man einem bösen Menschen helfen, wenn er in Not ist?

Text von Akho und Toni35 (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Es gibt viele böse Menschen, aber man kann nicht jedem helfen. Man unterscheidet oft zwischen bösen und netten Menschen – für uns ist ein schlechter Mensch jemand, der Frauen missachtet, Kinder respektlos behandelt und mit älteren Menschen frech redet. Trotzdem würde ich ihm helfen, damit er sieht, wie es sich anfühlt, auch mal ein Opfer zu sein. In dem Moment, in dem er Kinder, Frauen und ältere Menschen schlecht behandelt hat, hat er sich stark gefühlt, und jetzt – in einem Moment, in dem er selbst Hilfe braucht – fühlt er sich schwach.

Als ich einmal in eine Schlägerei verwickelt war, bat ich per Telefon einen Freund um Hilfe. Obwohl der Freund zugesagt hatte, kam er nicht. Als dieser Freund dann später Hilfe in einer Schlägerei brauchte, rief er mich an. Ich bin sofort losgefahren und habe noch weitere Kumpels zusammengetrommelt, um ihn zu unterstützen. Nach der Schlägerei hat sich der Freund für die Hilfe bedankt. Und hat sich gleichzeitig geschämt, weil er mich damals im Stich gelassen hatte. Ich wollte aber seine Freundschaft nicht mehr, und wir gingen seitdem getrennte Wege.

Ich hatte seit der Grundschule einen richtig guten Freund. Wir haben alles zusammen gemacht und miteinander geteilt, auch unsere Familien haben sich getroffen. Als ich wegen des Haftbefehls gesucht wurde und auf der Flucht war, hat mir der Freund versprochen, immer für mich da zu sein. Während der Haft hat er mir dann Briefe und Bilder geschickt, damit ich mich gut erinnern kann und immer an ihn denke. Als ich dann später meine Akte zu Gesicht bekam, sah ich, dass genau dieser Freund gegen mich ausgesagt und sogar Unwahrheiten von sich gegeben hatte. Ich fühlte mich betrogen und verraten und war sehr enttäuscht. Hier im Gefängnis merken viele von uns, wer wirklich ein Freund ist. Solchen „Freunden“ würde ich nicht mehr helfen, seitdem ich gesehen habe, wie einfach und schnell er mich fallen ließ.

Auch nette Menschen können sich manchmal verhalten wie böse Menschen, obwohl man das vorher nie gedacht hätte.


Aslan: Sind Soldaten Mörder?

Text von Aslan (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Meine Meinung zu diesem Thema ist: Jeder, der einen Menschen tötet, ist ein Mörder – egal, ob Soldat oder nicht. Keiner sollte jemandem das Leben nehmen. Leider ist es für Soldaten nötig, zu den Waffen zu greifen, da sonst vielen Zivilisten das Leben genommen würde. Man kann im Krieg nicht voraussehen, welcher Soldat jemandem das Leben nehmen wird, daher sollte man besser und mehr in die Soldaten und ihre Ausrüstung investieren – zum Beispiel in Body-Cams, damit man jedes genommene Leben aufklären kann und keine Kriegsverbrechen mehr vorkommen.

Ich persönlich denke, dass unsere Soldaten nicht als Mörder dargestellt werden sollten, da sie das Volk beschützen und das Land verteidigen, und Tag für Tag ihr Leben riskieren, damit wir in Frieden leben können. Die Menschen können sich dank der Soldaten sicherer fühlen, die sie vor den Feinden beschützen, die sie notfalls auch töten. Ohne unsere Soldaten würden mehr Menschen im Krieg ihr Leben verlieren. Daher ist es ein Muss, dass wir eine Armee haben, um das Land vor größeren Opfern zu schützen.

Ich finde auch, dass die Wehrpflicht mehr thematisiert werden sollte. Jeder sollte etwas für sein Land tun, sollte Disziplin und Respekt zeigen und fürs Leben vorbereitet werden. Frauen sollten auch zum Wehrdienst gehen, wenn auf ihre Kinder aufgepasst werden kann. Wir finden, es sollte ab dem 21. Lebensjahr eine Wehrpflicht geben, damit jeder Bürger für den Kriegsfall ausgebildet und vorbereitet wird. Und jeder sollte auch Grundkenntnisse als Sanitäter für lebenswichtige Situationen haben. Jungs sollten so mehr Disziplin lernen und mehr zu Männern werden.

Ich persönlich würde zum Wehrdienst gehen – wahrscheinlich würde es mir sehr gefallen, da ich Sport gerne mag. Und ich finde es wichtig, beim Militär einen Einblick in ein strukturiertes und diszipliniertes Leben zu bekommen. Wahrscheinlich lernt man dort auf harte Weise. Ich würde zur Not auch auf einen Menschen schießen, wenn es sein muss. Das gehört dazu – sonst sollte man nicht zum Militär gehen.


Resho: Was ist Loyalität?

Text von Resho (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Dieses Wort kommt aus dem Französischen und bedeutet: aufrichtig und (gesetzes)-treu.

Ich verstehe unter Loyalität: den Lebewesen (Menschen, Familie und Freunde), aber auch Haustieren, die dir am nächsten stehen, bis zum letzten beizustehen und die Treue zu halten. Wenn du weißt, dass der andere das Gleiche für dich tun und dich nicht hintergehen würde. Zum Beispiel: Jemand bietet dir lebenslänglichen Reichtum an, doch dafür musst du etwas über die Person/das Lebewesen sagen, was diese ganz bestimmt nie wollen würde. Du würdest das tun? Dann bist du ein Verräter und das Gegenteil von loyal. Denn wenn du weißt, dass diese Person, der gegenüber du loyal bist, das auch nicht tun würde, dann machst du das einfach nicht. Auch nicht, wenn du was dafür bekommst, was dir Benefit bringt. Denn wenn du loyal bist, und der Mensch oder das Tier, das dir was bedeutet, ist es auch, dann haltet ihr zusammen, da kann die ganze Welt gegen euch sein.


AFG und der Schotte: Was halten wir von Singapur und den Gesetzen dort?

Text von Der Schotte und AFG (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Das hier ist unser Parteiprogramm:
 

1. Bildung/Schule

Unsere Partei will die Bildung in Deutschland stärker voranbringen. Wir wollen mehr Geld in Bildung investieren, mehr Fachkräfte und Lehrer ausbilden und einstellen. Wir brauchen mehr Verkehrsmittel, die zu Schulen, Ausbildungsorten und Universitäten fahren – die sollen zukünftig für Azubis, Schüler und Schülerinnen nichts kosten. Unsere Partei setzt sich dafür ein, dass Kinder ab drei Jahren anfangen sollten, sich mit Bildung auseinanderzusetzen, indem sie in den Kindergarten gehen.


2. Justiz/Strafrecht

Wir achten auch mehr auf das Strafrecht und die Justiz. Wir wollen, dass es Menschen in den Justizvollzuganstalten ein bisschen besser haben, beispielsweise mit mehr Angeboten, bei denen sie sich mit sich selbst auch auseinandersetzen können oder Dinge wie zum Beispiel Familienprobleme besprechen können, oder warum man überhaupt straffällig wird. Auch mit dem Lohn in den Anstalten werden wir uns befassen: Unserer Meinung nach sollten Strafgefangene mehr Geld verdienen, damit sie, wenn sie entlassen werden, die ersten Monate finanziell über die Runden kommen und nicht direkt neue Straftaten begehen. Wir würden auch mehr Angebote schaffen, wo man auf der Wohnungssuche und mit dem Papierkram Unterstützung bekommt.


3. Klima

Um das Klima in Deutschland zu verbessern, wollen wir weniger mit Strom arbeiten und noch viel weniger mit Benzin und Diesel und weniger CO2 produzieren. Unsere Idee wäre es, die Technologie mit Wasserstoff voranzutreiben. Plastik würde sofort ersetzt werden durch wiederverwertbare Materialien. Man sollte mehr darauf achten, wie und wie viel Fleisch produziert wird, denn unserer Meinung nach wird in Deutschland viel zu viel Fleisch produziert. Man sollte die Produktion besser überprüfen und mehr nachfragen, weil man dann einen Überblick hat, wieviel Fleisch im Monat produziert wird.  


4. Sozialhilfe

Es sollte mehr Geld in Jugendeinrichtungen investiert werden. Sozialhilfe sollte nur in bestimmten Fällen gezahlt werden. So sollten zum Beispiel Menschen, die keine Einschränkungen haben, keine Sozialhilfe beziehen dürfen, denn diese Menschen können arbeiten und sich selber versorgen. Wir als Partei werden drauf achten, wofür unsere Steuergelder investiert werden. Kinder sollten schon früher strafmündig werden, denn Kinder unter 14 Jahren nutzen dies immer mehr aus, dass sie für Straftaten nicht belangt werden können. Die Kriminalstatistik zeigt, dass immer mehr Kinder unter 14 Jahren straffällig werden. Unsere Lösung dafür wäre, Strafmündigkeit bereits ab dem Alter von 12 Jahren einzuführen.


5. Drogenpolitik

Die Drogenkriminalität in Deutschland nimmt immer mehr zu. Um dieses Problem zu stoppen, ist viel erforderlich: Zum einen müssen wir die Polizei (so wie auch die Bundespolizei) mehr auf dieses Problem schulen – Drogen kommen aus aller Welt ins Land, was bedeutet, dass man zuerst die Grenzen besser kontrollieren muss. Und das viel mehr als bisher. Wir dürfen den Kriminellen nicht das Gefühl geben, dass wir als deutsche Bundesregierung alles dulden. Ganz und gar nicht. Drogen sind abscheulich, und dadurch sterben jährlich 120.000 Menschen. Wir als Partei würden das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung allerding beibehalten.


 6. Wehrpflicht

Unsere Partei ist dafür, dass jeder deutsche Staatsbürger ab 18 Jahren eine militärische Grundausbildung von drei Monaten bei der Bundeswehr absolvieren sollte. Damit wir uns im Ernstfall keine Sorgen machen müssen, dass wir nicht genug Soldaten haben. Menschen, die in Deutschland mit einem Aufenthaltstitel leben, sollten diese Ausbildung ebenfalls absolvieren.

Wählen Sie unsere Partei!

Feedback

Die Verfasser der Artikel freuen sich sehr über Feedback zu ihren Texten. Schreibt uns gerne Lob und Kritik an jugendinfo@bsb.hamburg.de und wir leiten eure Rückmeldungen (anonymisiert) weiter.

DIE HAFTNOTIZEN

Kolumne mit kreativen Texten aus der JVA Hahnöfersand

Die Autoren sind allesamt Jugendliche und junge Erwachsene aus der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand. Sie nehmen an der dortigen Gruppe für kreatives Schreiben teil, mit der fachlichen Begleitung der Autorin und Schreibtrainerin Tania Kibermanis.

Zur Jugendredaktion

© 2
Weitere Haftnotizen