Haftnotizen Ausgabe 49

Übersicht

Ein sportliches Event in der JVA bringt eine Menge Abwechslung. Dabei bleibt es fair. Eine weniger coole Aktion gibt dagegen Anlass für Rachegelüste. Während die eine Freundschaft zerbricht, wird eine andere gefeiert. Onkel zu werden, lässt die Gefühle ebenfalls überschwappen. Und die Moral? Hat ihre ganz eigenen Einordnungen von Sachverhalten. In diesen HAFTNOTIZEN geht es also quirlig zu.

Hinweis: Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.

Meinungsfreiheit

Wie immer ist uns Meinungsfreiheit sehr wichtig – deshalb äußert der jeweilige Verfasser seine ganz persönliche Meinung, die nicht unbedingt vom gesamten Team der Haftnotizen geteilt werden muss.

Schreibtrainerin: Tania Kibermanis


Der Schotte: Fußballtunier in H-Sand

Text von Der Schotte (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Am 10.08.2024 fand das diesjährige Fußballturnier bei uns in der Anstalt statt. Es traten insgesamt vier Mannschaften an: zwei Mannschaften aus der Straf-Haft, eine aus der U-Haft und eine Mannschaft von draußen, vom SV Apensen. Das war etwas sehr Besonderes für uns – während unserer Haftzeit haben wir nie erlebt, dass eine Mannschaft von außerhalb gegen uns angetreten ist. Die Spieler waren alle sehr respektvoll und höflich. Die Spiele verliefen alle fair und haben sehr viel Spaß gebracht. Alle Spieler waren angespannt, aufgeregt und haben sich Mühe gegeben, gut abzuliefern. Alle wollten den ersten Platz ergattern. Die U-Haft hat eine sehr gute Performance abgeliefert und konnte sich damit den ersten Platz sichern. Der SV Apensen hat zwar auch gut gespielt, doch die Straf-Haft und U-Haft konnten trotzdem gegen sie gewinnen. Sie haben es sportlich genommen und konnten mit uns darüber lachen. Viele Insassen durften auch zum Zuschauen kommen und haben uns angefeuert, auch die Justizbeamten haben mitgefiebert und uns Tipps gegeben. Es war eine besondere Erfahrung für uns und eine Abwechslung vom typischen Knastalltag. Das ist meiner Meinung nach auch das Wichtigste an der Sache gewesen – nicht der Sieg stand an vorderster Stelle, sondern gemeinsam eine schöne Zeit zu verbringen und den Kopf für ein paar Stunden mal freizubekommen. Für ein paar Stunden die ganzen Sorgen und den ganzen Frust von sich abzuschütteln – das hat sehr gutgetan.


Toni35: Rache

Text von Toni35 (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Es gab mal einen Fall, in dem zwei Schwestern ihre eigenen Eltern haben umbringen lassen – aus Habgier und Rache, weil ihre Eltern sie schlecht behandelt hätten. Sie haben es erstmal mit Vergiften probiert, doch das hat nicht geklappt, und dann haben sie jemanden kennengelernt, der die Eltern für sie umgebracht hat. Manche Menschen sagen, dass Rache nur ein Gefühl von Kummer, Leid und Trauer ist, dass man denjenigen spüren lassen will, der einem etwas angetan hat. Doch im Endeffekt ist es auch eine Entscheidung, die man trifft. Man entscheidet sich dafür, einen Menschen zu verletzen oder ihm zu schaden. Rache bedeutet ja, jemand anderem zu schaden, der einem selbst geschadet hat. Voller Kummer und Wut entscheidet man sich dafür, dieser Person nichts Gutes anzutun oder ihr einen persönlichen Nachteil zu verschaffen.

Man sollte es sich immer überlegen, bevor man sich an jemandem rächt. Ich würde dazu raten, erstmal Gras über die Sache wachsen zu lassen – und dann rational zu handeln. Rache ist auch immer eine Sache des mangelnden Vertrauens: Statt es dem Schicksal zu überlassen, nehme ich die Dinge lieber selber in die Hand, um damit meine Wut abzubauen und mit der Geschichte in meinem Sinne abzuschließen.

Ich war schon mal selbst Opfer von Rache, auf sehr hinterhältige Weise: Die Person hat sich an mir gerächt, ohne persönlich mit mir zu agieren. Entstanden ist die Situation, als ich was mit seiner festen Freundin hatte (Intimität). Wir waren einigermaßen gut befreundet, und als er es herausfand, behielt er es fürs erste für sich. Wir trafen uns bei mir zuhause zum Abhängen, und ihm war bewusst, dass ich mehrere Geldbündel in einer Schublade hatte. Als ich mal kurz unkonzentriert war oder das Zimmer verließ, nahm er die Gelegenheit wahr und griff zu. Am späten Abend, als er schon auf dem Heimweg war, fiel mir auf, dass die Schublade etwas offenstand. Ich öffnete sie, und schockiert sah ich der Realität ins Auge. Die Wut übertönte jede andere Emotion in mir. Ich rief ihn sofort mit meinem Mobiltelefon an und stellte ihn zur Rede. Er schilderte mir, dass ich es nicht anders verdient hätte, und erklärte, dass er von dem Vorfall mit seiner Freundin Bescheid wisse. Dann blockierte er mich auf allen sozialen Medien, und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich sah ihn nach dieser Aktion nie wieder. Aufgrund seines ständig wechselnden Wohnsitzes war es mir auch nicht möglich, ihn ausfindig zu machen. Im Nachhinein hab ich eingesehen, dass es ein großer Fehler meinerseits war. Ob ich so eine Form von Rache allerdings verdient habe, weiß ich nicht ganz recht. Aus der Geschichte hab ich viel Erfahrung gesammelt und hab mein Leben diesbezüglich umgestaltet.

Menschen morden aus Rache, aus Eifersucht und aus Wut – alles hängt mit Gewalt zusammen. Jede Handlung aus Rache kann und wird nicht gut enden. Deswegen: Immer vorher genau nachdenken!


Zazamonaco: Mein bester Freund und Schreibpartner

Text von Zazamonaco (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Mein bester Freund Che23, der auch gleichzeitig mein Haftnotizen-Schreibpartner war, wurde vor kurzem aus der Haft entlassen. Wir haben uns vor knapp drei Jahren in der U-Haft kennengelernt, während wir gemeinsam in der Freistunde Runden gegangen sind, und kamen plötzlich spontan ins Gespräch. Wir haben uns sofort gut verstanden. Es könnte auch daran liegen, dass wir nur vier Tage Altersunterschied haben. Nach der Zeit in der U-Haft sind wir am selben Tag in die Strafhaft verlegt worden und waren in der Sozialtherapie für über ein Jahr Zellennachbarn bis zu seiner Entlassung. Wir haben alles gemeinsam gemacht, wie zum Beispiel jeden Abend zusammen zu kochen. Wir gingen jeden Tag zusammen in die Freistunde, wir haben jeden Abend am Fenster über unsere Probleme gesprochen, haben viel übers Leben geredet, sehr viel gemeinsam gelacht und ne tolle Zeit gehabt. Unsere Eltern haben sich durch uns kennengelernt und sind seitdem auch gut befreundet. Sie unternehmen auch viel zusammen – und alle warten jetzt, bis ich raus komme aus der Haft. Bald ist es hoffentlich soweit, denn seitdem mein Partner nicht mehr hier ist, vergeht die Zeit nicht mehr so entspannt wie am Anfang. Er fehlt mir sehr – die tolle Zeit, die schönen Gespräche, der Junge, der immer für mich da war, der mir immer zugehört hat, wenn mal was war.

Wir haben ausgemacht, dass er mich abholen kommt, wenn ich rauskomme. Dann gehen wir erstmal schön frühstücken, dann zusammen zum Friseur und shoppen. Dann kommt er mit zu meiner Family, und bestimmt ist seine Familie auch schon da und wartet auf uns. Dann werden wir alle gemeinsam essen, Tee trinken, reden und lachen. Am Abend bleibe ich bei meiner Familie und freue mich, dass wir alle wieder zusammen sind. Auf jeden Fall werden wir weiter in Kontakt bleiben und draußen bestimmt ganz viel gemeinsam unternehmen.


Sefo: Wie ist es, in der Haft eine Nichte zu bekommen?

Text von Sefo (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Als ich erfahren habe, dass ich eine Nichte bekommen habe, konnte ich es kaum glauben. Ich habe seit zwei Monaten durchgehend angerufen, und als mein Bruder ranging, war das Erste, was ich sofort gefragt habe – ob sie schon geboren ist. Und dann endlich, als meine Mutter mich besuchte und sagte, dass ich Onkel geworden bin, war ich voller Gefühle und konnte meine Emotionen nicht kontrollieren. Ich musste cool bleiben, damit keiner meine Tränen sieht. Ich war auch sehr traurig, dass ich nicht dabei sein konnte, obwohl ich es meinem Bruder versprochen hatte. Da bin ich von mir selbst sehr enttäuscht, obwohl ich ja wusste, dass ich in Haft kommen werde. Am nächsten Tag habe ich drei Fotos bekommen und gucke sie mir ständig an. Sie wird meiner Familie viel Glück und Freude bringen. Mein Versprechen an sie: dass ich für sie immer da bin, wenn ich rauskomme.


Feedback

Die Verfasser der Artikel freuen sich sehr über Feedback zu ihren Texten. Schreibt uns gerne Lob und Kritik an jugendinfo@bsb.hamburg.de und wir leiten eure Rückmeldungen (anonymisiert) weiter.

DIE HAFTNOTIZEN

Kolumne mit kreativen Texten aus der JVA Hahnöfersand

Die Autoren sind allesamt Jugendliche und junge Erwachsene aus der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand. Sie nehmen an der dortigen Gruppe für kreatives Schreiben teil, mit der fachlichen Begleitung der Autorin und Schreibtrainerin Tania Kibermanis.

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