Jeder von uns hat bestimmt schon einmal davon geträumt, berühmt, reich und einflussreich zu sein. Doch oft sieht die Realität anders aus – und nicht immer ist alles, was glänzt, wirklich Gold. Um Gutes zu tun, braucht es nicht zwingend Geld und Ruhm. Manchmal reicht es schon, anderen seine Hilfe anzubieten und für sie da zu sein. Vor allem jenen, die mit Suchtproblemen kämpfen oder selbstzerstörerische und depressive Gedanken haben. In solchen Momenten Zivilcourage und Mitgefühl zu zeigen, zuzuhören, statt wegzuschauen, kann das Leben dieser Menschen wirklich verändern – und das ist unbezahlbar. Es beginnt mit der Erkenntnis, dass sich Probleme nicht einfach so in Luft auflösen, egal wie hoch unsere Träume fliegen, selbst wenn wir eines Tages als Weltraumtouristen zu anderen Planeten reisen sollten.
Wir wünschen viele gute Gedanken beim Lesen!
Hinweis: Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.
Meinungsfreiheit
Wie immer ist uns Meinungsfreiheit sehr wichtig – deshalb äußert der jeweilige Verfasser seine ganz persönliche Meinung, die nicht unbedingt vom gesamten Team der Haftnotizen geteilt werden muss.
Schreibtrainerin: Tania Kibermanis
Kookie: Wenn ich berühmt wäre, dann als…
Text von Kookie (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
Fußballer. Denn als Fußballer wird man gefeiert und begehrt für das, was man kann. Als Fußballer hat man viel Einfluss – zum Beispiel, welche Fußballschuhe in sind. Oder man spendet Blut und postet es, damit das dann auch viele andere machen.
Als Fußballer würde ich mich gegen Armut einsetzen und von meinem Millionengehalt Schulen und Kindergärten bauen lassen, denn jeder hat eine schulische Bildung verdient. Und ich würde dann auch gerne für alle ein gutes und neutrales Vorbild sein, denn es gibt schon viel zu viel Schlechtes auf der Welt, und auch schlechte Vorbilder, wie zum Beispiel Ronaldinho mit seinem Koks und dem Scheiß.
Wenn ich dann später nicht mehr Profifußball spiele, dann würde ich einen Fußballverein für Kinder aus Brennpunktvierteln gründen. Denn Fußball wird immer meine Leidenschaft bleiben.
Yobi: 2001 Odyssee im Weltraum – Inwieweit eine reelle Zukunftsvision?
Text von Yobi (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
Der Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ kam 1968 in die Kinos, und Regie hatte der Amerikaner Stanley Kubrick geführt. Es geht in diesem Film um die Besatzung eines Raumschiffs, die sich auf dem Weg zum Jupiter, nach einem Monolithen suchend, befindet, nachdem zuvor ein Monolith auf dem Mond entdeckt worden war. Die Besatzung wird dabei von einem intelligenten Computer namens Hal 9000 begleitet, der angeblich vollkommen fehlerfrei ist. Im Laufe des Films wird immer mehr zum Thema, wie dieser Computer die Kontrolle über die Crew übernimmt.
Weil der Film 1968 rauskam und im Jahre 2001 spielt, werden viele Entwicklungen der (damaligen) Zukunft prognostiziert. Die wahren Entwicklungen der nächsten 33 Jahre waren dagegen eine ganz schöne Enttäuschung. Zum Beispiel gibt es im Film Raumstationen, in denen sich Menschen am Boden bewegen können, es gibt Videoanrufe aus dem Weltall auf die Erde oder eine künstliche Intelligenz, die die gesamte Besatzung eines Raumschiffs betreut.
Ich möchte ausführen, warum mich dieser doch sehr künstlerische Film persönlich berührt hat. Der erste Film, den ich vor ca. zwei Jahren von Stanley Kubrick gesehen habe, war „The Shining“, – ein Horrorfilm von 1980 (Anm. d. Red.). Wie auch der zweite Film, den ich von Kubrick gesehen habe: „Clockwork Orange“ (1971 – Anm. d. Red.). Fallen diese Werke vor allem durch Brutalität und/oder Exzesse auf, ist „2001“ hingegen erstmal thematisch langweilig, im Vergleich zu den beiden eben genannten, brilliert dieser aber schon durch seine künstlerische Größe. Ich fand in dem Film auch die Kommunikation sehr spannend. Einmal, weil es einem so vorkommt, dass die Charaktere alle sehr deutlich und laut sprechen, aber auch, weil z.B. Russen und Amerikaner sich geradezu familiär miteinander unterhalten und zusammenarbeiten. Was mich sonst noch an diesem Film beeindruckt hat, ist der gezielte Einsatz von Gewalt oder Action. Nach der Intervention in der Mitte des Filmes trickst der Hal-Computer zwei Astronauten auf dem Raumschiff aus, indem er ein Fehler am Raumschiff vortäuscht und dann einen der beiden tötet.
Weil „2001 – Odyssee im Weltraum“ – wie der Name schon sagt – fast ausschließlich im Weltraum spielt und wahrscheinlich DER Science-Fiction Film überhaupt ist, möchte ich noch darauf zu sprechen kommen, wie gerne ich mich einmal im All aufhalten würde. Ich wäre gerne einmal auf dem Mond, oder zumindest im Weltall. Vom Mond aus ist die Weltkugel zu bestaunen – das ist vielleicht etwas, was erst in ferner Zukunft möglich sein wird, ich aber trotzdem nicht verpassen wollen würde, weil ich gerne dieses Gefühl zwischen Angst und beeindruckender Überwältigung erfahren möchte. Im Weltall gibt es auch Orte, Geräusche und Materialien, die man auf der Erde so nicht finden kann. Die Erfahrung der Schwerelosigkeit im All möchte ich ebenfalls mal machen. Hoffentlich wird es in der Zukunft einfacher, die Erde zu verlassen und das Universum zu erkunden.
Gypsy: Mein Leben mit Alkohol
Text von Gypsy (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
(Anmerkung der Redaktion: Der nachfolgend beschriebene Umgang mit Alkohol und Cannabis ist bedenklich. Wenn du merkst, dass du immer öfter zu Alkohol, Cannabis oder anderen Suchtmitteln greifst – oder das Gefühl hast, die Kontrolle zu verlieren, bieten dir Beratungsstellen Unterstützung.)
Link zur Liste der Anlauf- und Beratungsstellen
Alkohol ist eine gefährliche, legale Droge. Wenn man nicht aufpasst, kann man ganz schnell abhängig werden, so dass der Alkohol mal ganz fix dein Leben auseinandernehmen kann. So wie bei mir – ich habe mit vierzehn Jahren angefangen. Zuerst war alles gut, ich habe aus Spaß und Vergnügen getrunken, zuerst nur am Wochenende. Aber nach einer gewissen Zeit habe ich angefangen jeden Tag zu trinken. Ich hatte keinen Bock mehr auf Schule und bin auch nicht mehr zu meinem Sport gegangen. Irgendwann hatte ich dann, wenn ich nicht getrunken hatte, schlechte Laune und war erst dann wieder gut gelaunt, wenn ich getrunken habe. Für mich war Alkohol einfach geil, weil ich dann alle meine Sorgen vergessen konnte und mir keinen Kopf um gar nichts machen musste. Aber auf Suff kann auch mal ganz schnell was schiefgehen – Schlägereien oder sonstige Straftaten. Und bei mir sind genau diese Situationen eingetreten. Da ich für die Polizei kaum oder gar nicht auffindbar war, hat sich der ganze Ärger immer und immer mehr gestapelt, so dass ich dann mit siebzehn Jahren zum ersten Mal in U-Haft gekommen bin. Und ich mir damals schon dachte: Was hat mir das Trinken eigentlich gebracht? Im Endeffekt hat es mir nur Probleme gemacht.
Nach den fünf Monaten in U-Haft hatte ich mir eigentlich fest vorgenommen, nicht mehr zu trinken. Aber das hat aus bestimmten Gründen nicht so geklappt, wie ich das eigentlich wollte. Manche Dinge sind richtig schiefgegangen, dann habe ich mich selbst gestellt, nachdem ich mir schon denken konnte, dass meine Bewährung widerrufen wurde.
Aus diesen Erlebnissen ziehe ich die Lehre, dass ich, falls ich mal wieder trinken sollte, den Konsum unbedingt in Maßen halten muss, um nicht wieder in alte Muster zu verfallen. Ich glaube, die Cannabis-Legalisierung ist im richtigen Moment gekommen, so dass ich draußen eher mal rauchen kann, falls ich wieder richtig Bock haben sollte zu trinken. Denn wenn ich geraucht habe, habe ich keinen Bock auf Alkohol, weil mir das dann viel zu intensiv schmeckt. Ich bin auch der Meinung, dass ich meinen Alkoholkonsum draußen unter Kontrolle haben muss, weil ich nicht wieder so ein Leben führen will wie vor der Haft. Sondern eins mit Struktur, mit eigener Wohnung, Arbeit und Ausbildung, vielleicht einer Freundin. Und, ja – ich will einfach normal leben wie ein normaler Mensch.
Passende Beiträge aus der Redaktion
Big Mus: Warum laufen Menschen Amok?
Text von BigMus (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
Ich bin ehrlich – was ich hier schreibe, sind nur Vermutungen, denn ich kann anderen nicht in die Köpfe schauen. Wahrscheinlich laufen Menschen Amok, weil sie zu viele Probleme haben, die sie nirgendwo anders rauslassen können. Und wussten Sie, dass überwiegend Männer Amok laufen? (Anm. d. Red.: Weitere Infos dazu im Artikel von Planet Wissen). Wahrscheinlich, weil ein Mann nicht, wie die meisten Frauen dazu neigt, zu weinen oder über die eigenen Probleme zu reden. Ich finde es schade, dass so einsame Menschen so wenig Hilfe bekommen oder annehmen. Wahrscheinlich haben sie zu wenig Vertraute, um ihre Gedanken zu teilen. Und es gibt immer auch bessere Optionen, um seine Aggressionen rauszulassen – zum Beispiel kann man Sport machen. Ich mache das, und es hilft. So gehe ich auch mit Frust um, und ich beleidige Gegenstände, wenn die mich nerven.
Nochmal zurück zum Thema Amok: Amokläufer haben meist eine sehr introvertierte Art. Irgendwann lassen sie dann mal all ihre Wut raus, und das endet dann tragisch. Wenn ich einem extrem Introvertierten mit Aggressionsgefahr begegnen würde, dann würde ich versuchen, mit ihm über seine Probleme zu reden und ihm eine andere Perspektive auf die Welt zu zeigen. Falls das nichts bringt, dann würde ich irgendeinen ärztlichen Dienst informieren – für den Notfall.
Yourlocalserv: Tunesien
Text von Yourlocalserv (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
Ich bin hier in Hamburg geboren, meine Eltern kommen beide aus Tunesien. Meine Familie dort besuche ich jedes Jahr. Wenn ich aus Deutschland fliehen müsste, würde ich nach Nordafrika gehen. Ich finde, dass die Menschen in Tunesien viel besser zusammenhalten als in Deutschland. In Hamburg lebt jeder für sich. In Tunesien spüre ich die Gastfreundschaft viel stärker als hier, dazu ist das Wetter dort viel besser. In Tunesien ist alles so vielfältig – vom modernen Stadtgebiet bis zur Wüste und den schönen Stränden.
In meiner Familie sind alle muslimisch. Meine Oma trägt Kopftuch, meine Mutter aber nicht. Meine kleine Schwester trägt auch einen Hijab, wofür sie sich selbst entschieden hat. Meine Eltern waren am Anfang dagegen und haben es ihr nicht erlaubt, da sie ziemlich jung war. Sie hat sich dann zwei Jahre weiterhin damit befasst, und dann haben es ihr meine Eltern schließlich erlaubt. Meine Oma von mütterlicher Seite und meine Schwester sind also die einzigen, die Kopftuch tragen. Von der Seite meines Vaters, die alle in Tunesien leben, trägt auch nur meine Oma Kopftuch. Meine ganze Familie ist streng muslimisch. Dabei sind sie aber sehr modern und offen.
In Hamburg gibt es viele tunesische Läden, wo ich tunesisches Essen, Gewürze, etc bekommen kann. Dort treffen sich viele Tunesier, um gemeinsam Kaffee zu trinken, Karten zu spielen, zu essen, Fußball zu gucken und sich über die alltäglichen Dinge zu unterhalten. Hauptsächlich auf Arabisch. Die meisten, die dahingehen, sind schon etwas älter. Nach der Arbeit chillen sie noch etwas, bevor sie nach Hause gehen. Gerade in Harburg leben sehr viele Tunesier, es fühlt sich manchmal an, als wäre man gar nicht in Deutschland. Aber das Einzige, was mir wirklich fehlt, wenn ich an Tunesien denke, sind das Klima, die Natur und natürlich meine Familie.
Feedback
Die Verfasser der Artikel freuen sich sehr über Feedback zu ihren Texten. Schreibt uns gerne Lob und Kritik an jugendinfo@bsb.hamburg.de und wir leiten eure Rückmeldungen (anonymisiert) weiter.
DIE HAFTNOTIZEN
Kolumne mit kreativen Texten aus der JVA Hahnöfersand
Die Autoren sind allesamt Jugendliche und junge Erwachsene aus der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand. Sie nehmen an der dortigen Gruppe für kreatives Schreiben teil, mit der fachlichen Begleitung der Autorin und Schreibtrainerin Tania Kibermanis.