Haftnotizen Ausgabe 60

Übersicht

Schlaf sorgt für wichtige regenerative Prozesse im Körper, ist aber in ausreichender Form in einer Haftanstalt wie Hahnöfersand nicht immer zu finden, wie Kookie und Gypsie aus eigener Erfahrung wissen.

Ob aus Schlafmangel, oder weil sie Nachteulen sind, jedenfalls haben sich zwei andere Verfasser sehr kreative und nachahmenswerte Ideen zum Thema Geldverdienen einfallen lassen. Stellte man der KI zum Spaß dieselbe Frage, gab sie diese universellen Ratschläge mit auf den Weg: „Wichtig bleibt: legal handeln, Verantwortung übernehmen und Schritt für Schritt an einer positiven Zukunft arbeiten“.

In diesem Sinnen wünschen wir wieder viele positive Gedanken beim Lesen und entspannende wie schöpferische Momente!

Hinweis: Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.

Meinungsfreiheit

Wie immer ist uns Meinungsfreiheit sehr wichtig – deshalb äußert der jeweilige Verfasser seine ganz persönliche Meinung, die nicht unbedingt vom gesamten Team der Haftnotizen geteilt werden muss.

Schreibtrainerin: Tania Kibermanis


Gypsie & Kookie: Die Nächte im Knast

Text von Gypsie  & Kookie (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Nachts im Knast ist es nie leise. Nachts hört man immer allen möglichen Scheiß: Musik, Gespräche, Streit aller Art. Die Wände, die die Zellen voneinander trennen, sind extrem dünn, so dass du das Schnarchen deines Nachbarn so laut hören kannst, als wäre er neben dir in deinem Haftraum. Nach dem Einschluss um 18:30 Uhr besteht die restliche Zeit des Abends aus Warten, Rauchen und Liegestütze, manchmal spielen wir auch am Fenster StadtLandFluss – aber unsere erweiterte Version mit Promis, Marken und Essen. Das vertreibt auch auf jeden Fall die Zeit, bis etwas Sehenswertes im Fernsehen kommt. Ich warte immer, bis es 20:15 ist, denn dann laufen gute Filme.

An sich komme ich eigentlich gut klar, und falls es mir mal schlecht geht, kann ich mit den Jungs darüber von Fenster zu Fenster reden. Und die sind dann auch alle für mich da, bis es mir wieder besser geht.

Schlafen ist eigentlich kein Problem, wenn du in einem richtigen Hafthaus untergebracht bist. Aber im Haus 4 – in der U-Haft – ist es oft extrem laut, vor allem auf der U-Seite, die ihren Namen daher hat, dass sie wie ein U aufgebaut ist. Wenn man dort rumschreit, schallt das so extrem, dass man dort unmöglich schlafen kann. Auch außerhalb des Us ist es im Haus 4 viel hektischer als in den anderen Hafthäusern, weil die Jungs meiner Meinung nach noch gar nicht wissen, was hier eigentlich mit ihnen passiert. So richtig kann man auch gar nicht zur Ruhe kommen, bis man nicht seine endgültige Haftstrafe bekommen hat.

Da liegt auch der Unterschied zum Haus 5, der Strafhaft – die Jungs dort haben alle schon ihr Urteil, wissen, was auf sie zukommt und wie lange sie bleiben müssen. Damit sind die Jungs dort einfach entspannter als die in der U-Haft. Das gilt genauso für Haus 3, die Sozialtherapie – dort gibt es auch keine Probleme mit dem Schlaf.

Falls es nachts doch mal lauter werden sollte, kannst du einfach die Jungs am Fenster ansprechen, dass sie ein bisschen leiser sein sollen, das klappt dann auch meistens. Allgemein fürchte ich mich nicht vor der Nacht. Ich brauche die Abende und Nächte zur Erholung, so wie jeder Mensch Schlaf braucht, um die Dinge des Tages zu verarbeiten. Abends geht mir eigentlich kaum was durch den Kopf. Ich fühle mich nachts eigentlich entspannt, aber auch gelangweilt. Man macht sich natürlich auch Gedanken darum, wie es der Familie wirklich geht – die können mir am Telefon zwar sagen: Jaja, uns geht’s gut, aber in Wahrheit ist es vielleicht überhaupt nicht so. Sie würden es mir nur einfach nicht sagen, damit ich mir keine Sorgen mache. Dann denke ich darüber nach, was ich nach meiner Entlassung machen werde, machen müsste. Draußen ist zwar alles in trockenen Tüchern mit Ausbildung, Arbeit und Wohnung, deshalb müsste ich mir gar keine Sorgen machen, aber egal, wie sicher alles zu sein scheint – man macht sich natürlich trotzdem einen Kopf drüber.

Ich warte immer, bis ich einschlafe – um Mitternacht gehe ich nur ins Bett, wenn am nächsten Tag Arbeit ist, aber wenn nicht, dann gehe ich erst um 1:00 oder sogar um 4:00 ins Bett. Ich finde, wenn man schläft, geht die Zeit schneller rum. Und wir haben uns alle Mülltüten vor die Fenster gehängt, damit das Licht nicht in die Zelle leuchtet und beim Schlafen stört.


Anonym 419: Wie kann man Geld verdienen, ohne kriminell zu werden?

Text von Anonym 419: (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

(eine kleine Liste, die wir uns überlegt haben)

  • Obst und Gemüse selber anbauen und verkaufen
  • Ausbildung? Zum Beispiel als Friseur
  • Studium? Zum Facharzt, Ingenieur oder Anwalt
  • Ungelernt? Ohne Ausbildung auf der Baustelle, dem Dom oder auf dem Weihnachtsmarkt
  • Minijob? Geht auch ohne Ausbildung, zum Beispiel im Einzelhandel
  • Arbeitsamt? Arbeitslos melden, jeden Monat zum Jobcenter gehen und Geld holen
  • Online-Jobs? Bezahlte Onlinekurse anbieten. Man kann aber auch online Klamotten, Möbel oder Gegenstände verkaufen
  • Reich heiraten? Eine Frau finden, die Millionen hat
  • Erben? Wenn deine reiche Frau stirbt, erbst du ihr ganzes Geld und bist ein reicher Mann
  • Vereinsarbeit? Zum Beispiel als Fußballtrainer
  • Veranstaltungen? Zum Beispiel beim Auf- und Abbau helfen oder als Security
  • Man kann auch Wohnwagen oder Autos kaufen und anschließend vermieten.
  • Man kann Tiere züchten und verkaufen. Man kann auch auf Tiere aufpassen, wenn die Besitzer im Urlaub oder arbeiten sind.
  • Blumen vor dem Friedhof verkaufen
  • Gartenarbeit
  • Sich als Unternehmer selbstständig machen und einen eigenen Kiosk aufmachen. Oder einen Lieferservice gründen.
  • Ehrenamtlich arbeiten- in Schulen oder bei der freiwilligen Feuerwehr
  • Essen und Getränke verkaufen
  • Bücher schreiben und verkaufen

Gypsie: Siezen und Duzen

Text von Gypsie (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Bei mir persönlich hat sich das Siezen schon in mein Gehirn eingebrannt – egal, ob hier in der Haft, wo ich jede Person siezen muss, oder draußen, wenn ich in irgendeinem Laden etwas kaufe oder jemanden auf der Straße mal nach dem Weg frage. Für mich ist das völlig normal, fremde Menschen mit „Entschuldigen Sie“ anzusprechen. Natürlich sage ich zu Leuten in meinem Alter oder jünger nicht „Sie“. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht mal, warum eigentlich. Bei älteren Personen ist es für mich selbstverständlich, sie mit einer Höflichkeitsform anzusprechen, da ich extremen Respekt vor dem Alter habe und selbst auch möchte, dass meine Oma höflich und mit Respekt angesprochen und behandelt werden soll.

Im Arbeitsleben ist es natürlich ein bisschen anders – meinen Chef spreche ich zwar mit „Sie“ an, aber meine Arbeitskollegen mit „Du“ und ihren Vornamen, soweit ich sie schon kenne. Im Privatleben gibt es auch ähnliche Fälle, wie zum Beispiel bei den Eltern meiner Partnerin: Die spreche ich natürlich zuerst mit „Sie“ an, aber nachdem man sich schon ein bisschen kennengelernt hat und der Umgang mittlerweile etwas entspannter ist, kann ich auch „Du“ sagen und sie mit ihrem Vornamen ansprechen.


Kookie: Künstliche Intelligenz

Text von Kookie (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)

Was ist KI überhaupt? KI ist ein System, das von seinen eigenen gespeicherten und im Internet verfügbaren Daten lernt. Die KI hat Zugriff auf das gesamte Internet, was aber schlecht für die Umwelt ist, denn eine KI verbraucht sehr viel Strom für die Server.

KI kann für die Menschheit gefährlich werden, denn wenn sie sich so weit entwickelt, dass sie den Menschen irgendwann überlegen ist, dann hat sie vielleicht irgendwann ihren eigenen Kopf. So wie ein Roboter, der wie ein Mensch gebaut ist und von einem Menschen gesteuert wird – bis er uns vielleicht angreift und Menschen tötet. Auch seinen eigenen, armen KI-Entwickler.

Ein Vorteil von KI ist, dass sie Menschen unterstützen kann, zum Beispiel in großen Firmen oder in der Wissenschaft. Denn manchmal müssen Daten ausgewertet und Sachen berechnet werden, die für einen menschlichen Kopf viel zu viel sind. KI hat auch die Fähigkeit, Dinge zu bewerten, Situationen und Sachverhalte einzuschätzen und zu beurteilen – auch das ist ein großer Vorteil.

KI kann sehr nützlich sein, auch für Menschen mit Beeinträchtigungen. Zum Beispiel für Personen, die im Rollstuhl sitzen, nicht reden können, aber die KI kann ihre Gedanken in Worte übersetzen und für die Person sprechen. KI hilft auch Menschen ohne Arme oder Beine, denn KI-unterstützte Prothesen helfen sehr im Alltag.

Ich finde auch selbstfahrende Autos gut, aber wenn das System einen Fehler hat, dann könnten Menschen auf der Straße oder du selbst im Auto zu Schaden kommen. Und es würde Leuten die Jobs wegnehmen, die mit Autofahren (Taxi, Bus) ihr Geld verdienen. Das würde ich nicht so gut finden.

Mit KI kann man auch in den sozialen Medien Fake News verbreiten. Es gibt Leute, die stellen Videos ins Netz und behaupten darin, ein Araber hat ein kleines Kind umgebracht, was aber gar nicht stimmt. Und über diese Lügen radikalisieren sich dann Nazis und zünden ein Flüchtlingsheim an. Oder du machst ein Foto mit Donald Trump und machst mit ihm dann Werbung gegen Rassismus.


Feedback

Die Verfasser der Artikel freuen sich sehr über Feedback zu ihren Texten. Schreibt uns gerne Lob und Kritik an jugendinfo@bsfb.hamburg.de und wir leiten eure Rückmeldungen (anonymisiert) weiter.


DIE HAFTNOTIZEN

Kolumne mit kreativen Texten aus der JVA Hahnöfersand

Die Autoren sind allesamt Jugendliche und junge Erwachsene aus der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand. Sie nehmen an der dortigen Gruppe für kreatives Schreiben teil, mit der fachlichen Begleitung der Autorin und Schreibtrainerin Tania Kibermanis.

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