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Passend zur Jahreszeit hat sich Horrorfan Scottie 579 einen vielversprechenden Filmplot einfallen lassen, in dem Crime und Grusel die Oberhand haben. So entstand ein düsterer Thriller über Abhängigkeiten, Verrat und offene Fragen: Wer kontrolliert wirklich unser Schicksal – die Schatten der Vergangenheit oder die Stimmen in unserem Kopf? Wir wetten, dass nach dem Lesen euch Treppenhäuser ziemlich suspekt vorkommen werden.
Viel Spaß und happy Gruseln bei diesem schaurig-schönen Kopfkino!
Hinweis: Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.
Meinungsfreiheit
Wie immer ist uns Meinungsfreiheit sehr wichtig – deshalb äußert der jeweilige Verfasser seine ganz persönliche Meinung, die nicht unbedingt vom gesamten Team der Haftnotizen geteilt werden muss.
Schreibtrainerin: Tania Kibermanis
Welchen Film würde ich gern drehen?
Text von Scottie 579 (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
Ich finde Horrorfilme sehr gut – sie gefallen mir sehr. Aber es gibt dabei immer Sachen, die mich aufregen: Am Anfang passiert immer was. Dann hier Party, da irgendwas mit Frauen. Alles, bevor die eigentliche Handlung beginnt. Ich finde auch, dass die Orte sowas von ausgelutscht sind. Ich würde mir wünschen, dass ein Horrorfilm mal in einem Treppenhaus spielt – so einen Film gab es noch nie. Ich stelle mir eine Gegend mit Hochhäusern vor, einen sozialen Brennpunkt. Dort, wo ich herkomme, gibt es auch Treppenhäuser, wo sich Jungs treffen, um zu chillen – dort werden dann Stühle hingestellt, so stelle ich mir das vor.
Ich habe also lange und gründlich über die Storyline nachgedacht. Und habe mir überlegt, eine Fassung zu schreiben, die in der heutigen Zeit im Filmgeschäft wahrscheinlich hohe Zuschauerzahlen generieren würde. Und wie bin ich überhaupt dazu gekommen? Meine Mutter und ich lieben es, zusammen Horrorfilme zu gucken – vom Geisterfilm bis hin zum Serienmörder ist alles dabei. Inzwischen habe ich richtig viele Filme geschaut, aber mich kotzt es langsam an, immer dieselben Spielorte zu sehen: Verhextes Haus, Psychiatrie, Leichenhalle, Wald, und so weiter. Aber in einem Treppenhaus könnte so viel passieren. Meine erste Idee war zu realistisch und zu serienmördermäßig, mir persönlich gefallen Sachen mit Dämonen und Geistern viel besser.
Viel Spaß euch mit meiner Film-Idee!
Das Treppenhaus sieht wie folgt aus: Ein Treppenaufstieg, rechts daneben eine komplett durchsichtige Kellertür. Der Lichtschalter ist manipuliert, so dass das Licht ununterbrochen brennt. Geradeaus die Haupteingangstür, oben rechts am Treppenaufgang eine Tür in den jeweiligen Flur, an dem pro Stockwerk drei Wohnungen liegen. Und ein Fahrstuhl.
Wie immer muss am Anfang der Geschichte etwas passieren, damit man in die Handlung reinkommt und den Ort kennenlernt. Hier gibt es einen Dogendealer, der viel Geld mit Heroin gemacht hat und Teufelsanbeter war. Irgendwann hat er angefangen, das Heroin mit Fentanyl zu strecken – und zwar in einer solchen Dosis, dass die meisten seiner Kunden schon an der kleinsten Menge sterben. Als er bereits drei Frauen mit reinem Kokain angelockt, das Koks aber mit Fentanyl gestreckt hat, konnten zwei davon nicht gerettet werden. Eine der beiden war die Schwester eines großen Gangsters aus der Gegend. Der und ein Kollege lauerten dem Dealer im 32. Stockwerk des Gebäudes auf, weil sie wussten, dass er dort eine Bunkerwohnung hat, wo er seine Drogen streckt und lagert. Als die beiden den Dealer vor dessen Tür treffen, sagt er etwas Schlechtes über die tote Schwester des Gangsters, woraufhin dem die Sicherung durchbrennt. Er zieht ein Messer, sticht den Dealer damit in den Bauch und reißt ihm seine 666-Satanistenkette vom Hals. Wütend wirft er sie auf den Boden und malt mit dem Blut des Dealers das Bild einer Tür auf den geschlossenen Fahrstuhl. „Hier kommst du nicht mehr raus“, sagt er zu dem am Boden liegenden Dealer. Dann malt er mit dessen Blut noch einen Punkt auf die Tür, der aussieht wie eine Klinke. Er murmelt etwas Unverständliches. Der Fahrstuhl bleibt im sechsten Stockwerk stehen, alles ist ruhig, und der Dealer am Boden sagt: „Scheiße, was mache ich jetzt?“, dann fängt er plötzlich an zu lachen: Auf der Anzeigetafel des Aufzugs erscheint rot leuchtend die Zahl 6, hinter der plötzlich noch zwei weitere Sechsen auftauchen – 666. Das Licht flackert, der Fahrstuhl fängt an zu beben. Dann wird alles plötzlich wieder normal, auf der Anzeige erscheint der Buchstabe E für Erdgeschoss. Doch von einem Moment auf den nächsten steht dort: HELL. Hölle. Das Licht im Treppenhaus geht aus.
Der Gangster, der den Dealer bereits verletzt hatte, sticht jetzt noch sechsmal auf ihn ein. Dabei fängt die aufgemalte Tür auf dem Fahrstuhl plötzlich an zu brennen, öffnet sich wie ein Tor zur Hölle, aus dem eine stierartige Kreatur springt. Mit ihren Hufen tötet sie den am Boden liegenden Dealer, und mit ihren Hörnern spießt sie den Gangster und seinen Kollegen auf. Man sieht, wie deren Seelen die Körper verlassen und nach oben fliegen. Die Stier-Kreatur jedoch sammelt sie ein und bringt sie durch das Aufzug-Höllentor zum Teufel persönlich, während die seelenlosen Körper im Treppenhaus liegenbleiben. Der Teufel lässt zwei Dämonen auf den Gangster und seinen Kumpanen los. Sie ziehen sie tief nach unten in den Aufzugschacht, dort wird ein Ritual vollzogen, und sie werden verflucht. Der Teufel sagt: „Dieser Ort, an dem das Verbrechen geschah, gehört jetzt euch. Hier seid ihr mächtig. Aber in der Welt der Lebenden könnt ihr nichts anderes, als Menschen leiden zu lassen und verrückt zu machen. Die neuen Dämonen nicken, knien nieder und verschwinden. Währenddessen ist die Polizei am Tatort im Treppenhaus angekommen. Sie untersuchen alles, können aber nicht herausfinden, was wirklich passiert ist.
Das Logo des Films erscheint, dann steht dort weiß auf schwarz: 10 Jahre später. Ein Zwanzigjähriger steht um 16:00 Uhr in seiner Wohnung auf. Auf seinem Wohnzimmertisch liegen Tabletten und Geld. Er macht sich fertig und trifft sich mit seinen zwei besten Freunden in der Nachbarschaft. Es ist Winter und sehr kalt. Der Zwanzigjährige heißt Jeff, einer seiner Freunde wird von allen Suspect genannt. Er macht Rap und gehört zu einer kleinen Straßenbande. Jeffs zweiter Kumpel heißt Yasin. Jeff würde jetzt gerne kiffen. Suspect ruft seinen Kumpel an, der sagt, sie sollen vorbeikommen: 22. Stock, Treppenhaus Block 3. Als sie oben aus dem Aufzug steigen, ist da eine offene Tür. Sie gehen rein und treffen dort auf den vierten aus ihrer Gang: Ramirez, der Spanier. Sie sind alle zusammen aufgewachsen – bis Ramirez in den Knast kam. Inzwischen ist er wieder entlassen – wovon keiner außer Suspect etwas wusste. Es sollte eine Überraschung für die Jungs werden. Sie kommen also rein und freuen sich riesig, wieder vereint zu sein.
Ramirez ist zu einem der größten Dealer der Gegend geworden. Und die Wohnung, in der sie jetzt zusammensitzen und rauchen, ist die gleiche wie die, in der der Dealer aus der Anfangsszene wohnte. Inzwischen wohnt hier ein 45-jähriger Mann, der auch da ist. Die Jungs reden über ihre Erinnerungen: Der erste Joint im Treppenhaus, Polizeikontrollen wegen zu lauter Partys. Der Mann mischt sich ins Gespräch ein und erzählt von seinem Vormieter, der niedergestochen wurde. Die Jungs gehen gemeinsam ins Treppenhaus und finden an der Wand ihre Namen, die sie damals als Jugendliche dort hingekritzelt hatten. Sie rauchen einen Joint und hören auf einmal irgendwo unter ihnen im Haus ein schreiendes Kind. Zumindest klingt es so. Sie gehen zurück in die Wohnung und gucken vom Balkon, sehen aber nichts.
Im sechsten Stock wohnt ein Verrückter in einer Wohnung mit angemalten Wänden, der jeden Tag daran weitermalt und schreit: „Ich kann das alles nicht mehr!“ Dann springt er von einem Vorsprung, der das Treppenhaus und den Fahrstuhlschacht trennt. Niemand bekommt es mit. Nach einigen Tagen findet in einer anderen Wohnung eine Party statt. Es wird amtlich gefeiert, bis um drei Uhr nachts eine Sicherung rausfliegt. Ramirez macht sie wieder rein, bekommt aber vom Sicherungskasten einen Stromschlag. Zuerst sind alle unter Schock, aber er kommt schnell wieder zu sich. Jeff hat währenddessen Freunde auf der Party beklaut, da er wegen seiner Tablettensucht immer in Geldnot ist. Er geht ins Badezimmer. Dort hört er eine Stimme: „Folge deinem Glück – komm in den Keller und such!“ Er sagt seinen Kumpels, dass er kurz weg ist, und fährt mit dem Aufzug in den Keller. Als er aussteigt sieht er, dass dort unten Licht brennt. Er fragt sich: „Was mache ich hier eigentlich? Was denke ich mir dabei?“. Er guckt sich die verschiedenen Türen im Keller an, die sich alle nicht öffnen lassen. Plötzlich öffnet sich eine Tür wie von selbst – als Jeff in den Raum dahinter schaut, entdeckt er eine Sporttasche. Als er sie öffnet, findet er darin ein Kilo Heroin, eine Dose Fentanyl, Handschuhe, eine Waage und Plastiktüten. Und ein Tastenhandy, auf dem nur zwei Kontakte gespeichert sind: Harlem und Foxy. Plötzlich klingelt das Handy, Anrufer unbekannt. Er geht ran. Eine tiefe Stimme spricht: „Hör auf deine innere Stimme, dann kommt alles von alleine.“
„Wer ist denn da?“, fragt Jeff. Doch der Anrufer hat aufgelegt. Jeff starrt auf das Handy, dann schaut er sich in diesem Raum um. Auf dem Boden liegt ein Teppich. Er hebt ihn an – und entdeckt ein Pentagramm auf dem Boden. Er studiert es genau, berührt es auch. Dann blickt er nochmal auf den Inhalt der Sporttasche und lächelt. „Jetzt muss ich das Zeug nur noch loswerden – aber wie?“
Plötzlich hört er seinen Kumpel Suspect mit einer Frau die Treppe herunterkommen, mit der er heftig flirtet. Jeff nimmt den Teppich und legt ihn über das Pentagramm. Beim Rausgehen sieht er die beiden, schnappt sich die Sporttasche, dann fährt er mit dem Fahrstuhl zurück zur Wohnung. Ramirez fragt, was er da mitgebracht hat. Er zeigt ihm das Heroin und das Fentanyl in der Tasche und behauptet, er habe das gerade unten gekauft.
Am nächsten Tag will Jeff das Zeug natürlich verkaufen. Gleichzeitig bekommt er fünf Anrufe. Das erste Mal klingelt sein Telefon, als er gerade ein Treffen ausmacht. Er bestellt seine Kunden alle zu Block 3. Zuhause macht er die Ware fertig, streckt das Heroin mit Fentanyl, um es anschließend zu verkaufen. Woher die Kunden seine Nummer haben, weiß er nicht. Nach kurzer Zeit hat er alles verkauft und viel Geld gemacht. Dass schon einige seiner Kunden inzwischen an dem gestreckten Stoff gestorben sind, weiß er nicht. Er ist im Block 3 bei Ramirez, als er plötzlich eine Stimme sagen hört: „Harlem Foxy“. Er erinnert sich und ruft Harlem an. Der fragt nur: „Wieviel?“
Jeff antwortet: „Ein Kilo.“
„Zehn Minuten, Block 3 im Keller.“
Dort treffen sie sich, Harlem gibt Jeff eine Tüte mit fünf Kilo Stoff. Jeff gibt ihm nur Geld für ein Kilo. Dann guckt er in die Tüte und sieht, wie viel mehr Stoff Harlem ihm eingepackt hat.
„Gib mir einfach das Geld, wenn du es hast.“
Jeff fragt noch nach Fentanyl zum Strecken, und Harlem sagt ihm, er solle sich bei Foxy melden. „Du hast seine Nummer.“
Jeff wundert sich, woher Harlem das weiß. Der antwortet: „ich weiß es einfach. Ruf Foxy an, und melde dich bei mir, wenn du mehr brauchst. Ich muss jetzt weiter.“
Jeff meldet sich also bei Foxy, holt das Fentanyl, macht sein Geschäft. Abends trifft er sich mit seinen Jungs. Er hat gut Geld gemacht, ein bisschen eingekauft, also chillen sie gemeinsam im Treppenhaus, so wie früher. Ramirez holt ein bisschen Gras, sie kiffen und reden. Plötzlich steht Jeff auf, geht alleine in den Keller in den Raum mit dem Pentagramm, legt sich darauf und schläft ein. Gegen drei Uhr in der Nacht wird er von einem Kinderlied geweckt. Er steht auf, schaut aus der Tür und will dem Geräusch nachgehen, das hinter einer weiteren Tür zu sein scheint. Also macht er diese Tür auf – vor ihm steht eine schwarze Gestalt und schreit ihn an. Jeff ist vollkommen geschockt, wird ganz blass, rennt einfach weg. Er reißt die nächstbeste Tür auf und checkt überhaupt nicht, was gerade passiert. Ab diesem Moment ist für ihn alles anders: Er geht nicht mehr an sein Handy, das Heroin liegt bei ihm herum. Nachts hat er Alpträume. Einmal wird er darin von Geistern durchs Treppenhaus gejagt, er wacht komplett verschwitzt auf. Er raucht einen Joint, entspannt sich ein bisschen und hat keinen Bock mehr auf diesen ganzen Scheiß. Seine Augen sind blutunterlaufen, er zieht sich an, nimmt einen Zimmermannshammer und klemmt ihn in seinen Hosenbund. Leise geht er ins Treppenhaus, blockiert die Aufzugtür mit einem Stuhl, damit sie nicht schließt, und geht rauf in den achten Stock. Dort sitzen fünf Leute auf der Treppe, chillen und rauchen. Das Licht fängt an zu flackern. Jeff spürt noch, wie er sich verwandelt und zu einer Gestalt wird – halb Mensch, halb Ziegenbock. Das Licht im Treppenhaus färbt sich rot. Er schlägt einem der fünf Leute auf der Treppe den Hammer auf den Kopf, der fällt zu Boden, einer der Jungs zieht eine Pistole, Jeff haut ihm den Hammer gegen den Arm, die Waffe fällt auf die Treppe. Die drei anderen rennen nach oben. Einer von ihnen hat den Schlüssel zum Dachboden, dort klettern sie über die Leiter durch die Luke aufs Dach. Sie hören, wie unten im Haus Glas kaputtgehauen wird. Jeff kommt immer näher. Sie versuchen noch, die Leiter aufs Dach zu ziehen, aber Jeff will ihnen hinterher. Dann rennt er in das Stockwerk darunter und klettert von dort über einen Balkon aufs Dach. Die drei Jungs sehen ihn auf sie zu rennen. Dann folgen ein paar eklige Szenen. Als Jeff fertig ist, wartet die Polizei bereits unten vorm Haus auf ihn. Er steht mit dem Rücken ganz nah an der Dachkante – und lässt sich fallen. Der blutige Hammer fällt mit ihm in Zeitlupe. Er fällt auf einen Polizisten, der den harten Aufprall dämpft, dann wird Jeff festgenommen. Er bekommt 13 Jahre Jugendstrafe und landet im Knast. Ende.
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DIE HAFTNOTIZEN
Kolumne mit kreativen Texten aus der JVA Hahnöfersand
Die Autoren sind allesamt Jugendliche und junge Erwachsene aus der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand. Sie nehmen an der dortigen Gruppe für kreatives Schreiben teil, mit der fachlichen Begleitung der Autorin und Schreibtrainerin Tania Kibermanis.







